Rückblick: CSD Gera

Am 27.09.25

waren wir zusammen mit 400 Menschen auf den Straßen in Gera und haben dabei ein lautes und buntes Zeichen für queere Menschen gesetzt. Begleitet von guter elekronischer Musik zog der Demozug mit einer Zwischenkundgebung am Rathaus durch die Stadt, ehe es durch das migrantisch geprägte Viertel am Südbahnhof und dann am Theater vorbei zurück zum Kultur- und Kongresszentrum in der Innenstadt ging. Dort wartete ein buntes Straßenfest mit verschiedenen Musik- und Tanzacts auf die Teilnehmenden.

Die Polizei achtete im Gegensatz zu vielen anderen Städten dieses Jahr sehr stark darauf, Neben- und Seitenstraßen abzusperren. Grotesk wurde es allerdings, als sie auf einer vierspurigen Straße nur drei für die Demonstration freihielten und den Gegenverkehr nur wenige Meter an der Demonstration vorbeiziehen ließen. Laut Auflagenbescheid sollten hier die Ordner*innen für ausreichend Abstand zwischen Menschen und Fahrzeugen sorgen. 

Der Verkehr zieht mit Tempo 50 am CSD vorbei – was soll schon passieren?

Auch ansonsten zeigten sich die Cops eher passiv und wenig präsent.

So gab es an einer erhöhten Stelle einen “Bannerdrop” einiger Reste der Gerschen Jugend und weiteren Jungfaschos mit einer Reichskriegsfahne. Hier hielten die Cops gebührend Abstand und beließen es dabei, die Faschos zu ermahnen, “keine Dummheiten zu machen”.

Ob das geholfen hätte, wenn statt eines Bannerdrops Steine geflogen wären?

Mehr war nicht drin: Ohne Christian Klar läuft nichts zusammen.
Ärgerlich: Doch noch reingeguckt. Die Person ganz rechts bezeichnet sich gerne auch mal in Interviews selbst als „Nationaler Sozialist“

Abseits des Bannerdrops zeigten sich die Faschos in Abwesenheit von Christian Klar nicht dazu fähig, weiter nennenswert in Erscheinung zu treten. Mehrere Wochen vorher warben eine der Frontfiguren der GJ und die Gruppe selbst auf ihrem Insta-Account noch für eine Aktion gegen den CSD; hieraus wurde aber offensichtlich nichts. So fanden sich stattdessen Reste der GJ und einige selbsternannte „Nationale Sozialisten“ spontan zusammen (organisiert wurde das Ganze erst am Vortag), trafen sich in der Nähe der Auftaktkundgebung und schienen erst einmal überlegen zu müssen, wohin sie sich bewegen sollen.

Erstmal treffen und beraten…
…ehe dann ein geeigneter Ort gefunden wurde.

Schließlich zog es sie zu einer Kirche, wo sie sich auf einer Empore sammelten, den CSD schweigend beobachteten und schließlich mit breitem Grinsen ihre Fahne ausrollten. Daraufhin gab es einige Widerworte aus der Demo heraus, welche offenbar die Egos so sehr kränkten, dass mit Mittelfingern und Pöbeleien geantwortet wurde. 

An der Aktion beteiligten sich circa 15 Personen, teils mit „Division Thor Steinar“-Schriftzügen auf der Kleidung.

Einige von ihnen zeigten sich später nochmals in der Nähe der Demo und pöbelten etwas herum, ehe sie eine zeitlang in der Nähe des Straßenfestes herumstanden und schließlich von dannen zogen.

Here goes nothing

Außerdem gab es wie bei fast jeder linken Demo den traditionellen Böllerwurf aus einem Hochhaus sowie einige Kleingrüppchen, die sich in der Nähe des CSDs aufhielten. In einer dieser Kleingruppen wurde rege und laut hörbar diskutiert, ob man nicht auf die Kundgebungsfläche gehen sollte, woraufhin ein älterer Fascho den Jugendlichen Geld bot, wenn sie „etwas machen“.

„Ich geb euch 50€, wenn ihr da was macht“

Zur absurden Realität in der ostdeutschen Provinz gehört dann, dass eben dieser Fascho später gemeinsam mit einigen CSD-Teilnehmenden fröhlich laute Musik hörte und reichlich Drogen konsumierte. An einem bestimmten Punkt hört mensch einfach auf, sich zu wundern.

Besondere Aufmerksamkeit zogen noch zwei Personen auf sich, die aus einem Wohnhaus heraus laut pöbelten und mit Gewalt drohten. Einer fiel dabei fast aus dem Fenster; zudem wurde ein mutmaßlicher Hitlergruß gezeigt (dokumentiert bei „Gerda“ – https://gerdaausgera.substack.com/p/csd-gera-2025).

Quelle: Gerda

Im Verlaufe des Tages zeigten sich so ungefähr 30 Faschos im Umfeld der Demo, womit Gera eher zu den ruhigeren CSDs dieses Jahr in Thüringen gehört – aber allein diese Einordnung zeigt schon, wie normal die rechten Störversuche im Umfeld queerer und allgemein linker Veranstaltungen geworden sind.

Zur Normalität gehört es im in vielen Belangen eher einem Dorf als einer Stadt ähnelnden Gera, als queere Person nicht aus dem Haus gehen zu können, ohne irgendwo Faschos zu begegnen; auch wenn diese einen (noch) zumeist in Ruhe lassen, wenn es sich beispielsweise um Aufeinandertreffen in Kneipen, Bars oder Clubs und nicht im Kontext einer Demo handelt. Es bleibt abzuwarten, wie lange diese stillschweigende Koexistenz nach dem Motto „ihr macht mir keine Probleme und ich euch dafür auch nicht“ noch aufrechterhalten wird.

Die Teilnehmenden ließen sich von der rechten Präsenz jedenfalls nicht beeindrucken und sorgten für einen kraftvollen, bunten und politischen CSD. Etwas schade ist es allerdings, dass es neben den politischen Forderungen der Organisator*innen nur zwei weitere Redebeiträge gab – hier sind vor allem die solidarischen Gruppen der Stadt in der Verantwortung, diese Leerstelle im nächsten Jahr nicht wieder entstehen zu lassen.

Positiv war hingegen die im Vergleich zu den Vorjahren positive Resonanz aus der Stadtgesellschaft: Gerade in der Umgebung des Südbahnhofs gab es viele freundliche Reaktionen und Solidaritätsbekundungen der Anwohnenden.

So blicken wir auf einen erfolgreichen, kraftvollen und politischen CSD in Gera zurück, der sich auch nicht auf eine Vereinnahmung der autoritären und unsolidarischen MLPD einließ. Zwar konnten die penetranten Sektenanhänger*innen mangels Demokonsens nicht gänzlich ausgeschlossen werden, was in jedem Fall einer Aufarbeitung bedarf, doch wurden ihnen zumindest Ordner*innenbinden abgenommen, mit denen sie sich Legitimität und den Anschein von gegenseitiger Kooperation zu erschleichen versuchten.

Spätestens auf dem Straßenfest verflog dann aber der Ärger über die Sektierer*innen und es war bei all den wunderbaren Acts auf der Bühne wieder wunderschön zu sehen, was wenige Menschen in ihrer Freizeit mit viel Herz und Einsatz auf die Beine stellen können. 

Deshalb einen großen Dank an die Orga in Gera, an alle Acts und Teilnehmenden – Wir freuen uns schon, im nächsten Jahr wieder mit guter Musik und vielen Menschen in Gera einen politisch-kraftvollen CSD zu feiern!

Steckt viel Liebe drin: CSD in Gera

Die politischen Forderungen des CSD Gera 2025:

  1. In Gera und überall in Thüringen erleben queere Menschen Gewalt und Anfeindung. Wir sagen: Schluss damit!
    • Wir fordern eine Meldestelle für queerfeindliche Vorfälle!
    • Wir fordern, dass diese Taten klar als Hasskriminalität erfasst werden!
    • Und wir fordern: Polizei und Ordnungsamt müssen geschult werden – damit sie uns schützen, statt wegzuschauen!
  2. Wir alle wissen: Rechte Gruppen versuchen, Gera und unsere Straßen zu besetzen. Aber heute sagen wir: Diese Stadt gehört uns!
    • Wir fordern klare Auflagen gegen rechte Aufmärsche in der Nähe unseres CSD!
    • Wir fordern, dass die Stadt uns schützt – laut, sichtbar, konsequent!
  3. Unsere Community braucht Räume, in denen wir sicher sein können.
    • Wir fordern ein dauerhaftes queeres Zentrum in Gera!
    • Mit Beratung, Jugendtreff, Kultur und Platz für Begegnung!
    • Keine einmaligen Projekte – wir wollen feste Strukturen, wir wollen Verlässlichkeit!
  4. Kinder und Jugendliche brauchen Akzeptanz und Vorbilder.
    • Wir fordern queersensible Bildung in allen Schulen!
    • Wir fordern, dass Lehrkräfte geschult werden!
    • Wir fordern klare Unterstützung für queere Jugendliche – durch Sozialarbeit und Beratungsstellen!
  5. Viele Menschen fliehen, weil sie wegen ihrer Identität verfolgt werden.
    • Wir fordern sichere Unterkünfte für queere Geflüchtete!
    • Wir fordern Beratung und Unterstützung ohne Angst!
    • Wir fordern Anerkennung von Queerness als Fluchtgrund!
  6. Unsere Rechte dürfen nicht vom Wohlwollen anderer abhängen!
    • Wir fordern die Ergänzung des Grundgesetzes um sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität!
    • Wir fordern das Ende von Diskriminierung – bei Blutspende, im Familienrecht, überall!
    • Wir fordern echte Selbstbestimmung für trans* und inter* Menschen!
  7. Sichtbarkeit rettet Leben – und Sichtbarkeit verändert die Gesellschaft. Und genau hier in Gera sehen wir: Es gibt noch viel zu tun. Unsere Flagge am Rathaus hing. Nicht am ganzen CSD-Wochenende wie in den vergangenen Jahren, nur am Freitag und nur bis 17 Uhr. Wir sagen klar: Das reicht nicht! Unsere Sichtbarkeit darf nicht zeitlich begrenzt werden. Unsere Rechte verschwinden nicht am Freitagnachmittag. Unsere Forderung: Die Regenbogenflagge muss das ganze CSD-Wochenende am Rathaus hängen – als klares Zeichen für Vielfalt, für Respekt, für Gleichberechtigung.